Zum Wochenstart gibt es heute eine erste Leseprobe aus "Schicksalsfeuer." Ich liebe diese Szene. *-* Ich hoffe, es geht euch auch so. 🙂
Ich bin froh, dass der Weg nicht allzu weit ist, denn gerade kann ich Aydens Gegenwart kaum ertragen. Die Luft fühlt sich schwer an, als wäre sie aufgeladen von einer unheilvollen Elektrizität, die sich bald in einem schrecklichen Gewitter entladen wird.
Wir betreten gemeinsam das Gebäude und folgen dem Flur, wo wir vereinzelt ein paar Schülern begegnen, die auf dem Weg zu ihren Zimmern sind.
»Tja, der Abend ist wohl anders verlaufen, als wir beide uns das gedacht haben«, sagt Ayden.
Ich runzele die Stirn. Spielt er damit auf die Nacht an, die er nun ohne Vicky verbringen muss, oder doch nur auf den eigenartigen Kinobesuch? »Immerhin ist dir klar, dass wir nichts von eurem Kinobesuch wussten«, erwidere ich. Als ich mit Max und Lucia bei der Hunter-Party aufgetaucht bin, hat er mir unterstellt, ich würde mich nur im Licht der Hunter sonnen wollen. Darüber kann ich auch jetzt nur den Kopf schütteln.
»Ty weiß, dass wir beide uns im Moment nicht allzu gut verstehen. Er kann Unstimmigkeiten nicht aushalten und hat darum wohl versucht, die Wogen zwischen uns zu glätten«, fährt er fort.
Vicky hat es ähnlich ausgedrückt, auch wenn sie es nicht in ganz so hübsche Worte gekleidet hat.
»Interessant, dass er sich dafür verantwortlich fühlt.«
Das erste Mal an diesem Abend wendet er sich mir nun ganz zu. Ich spüre seinen Blick auf meiner Haut brennen und weiß, ohne hinzusehen, wie seine Augen gerade aussehen: dunkel, lodernd und voller Anziehungskraft. Genau darum halte ich meinen Blick auf den Boden vor mir gerichtet.
»Kannst du dir das nicht denken? Er betrachtet dich als Freundin. Immerhin habt ihr auch schon einiges zusammen durchgemacht.«
Ich weiß, dass er damit auf den Einbruch in Chloes Zelle anspielt, wobei Zelle wirklich übertrieben ist, denn es handelte sich dabei im Grunde um ein ganz normales Zimmer.
»Und hast du schon versucht, ihm diese Freundschaft auszureden?« Ich weiß, dass ich angriffslustig klinge, aber ich kann nicht anders. Das Schlimme ist nicht mal, dass Vicky wie eine Klette an ihm hängt und ständig an ihm rumfummelt. Was mich wirklich verletzt, ist die Tatsache, dass er mich den ganzen Abend komplett ignoriert und kein einziges Wort mit mir gewechselt hat. Noch deutlicher hätte er mir gar nicht zeigen können, was er von mir hält.
»Warum hätte ich das tun sollen?«, fragt Ayden verwundert. »Ty kann befreundet sein, mit wem er möchte.«
Ich hebe misstrauisch die Brauen. Dafür zeigt er aber jedes Mal sehr deutlich seinen Unmut, wenn ich irgendwo mit Ty auftauche. Gut, das kann auch daran liegen, dass Ty mich ständig irgendwo hinbringt, wo leider auch Ayden ist.
Vickys Bild drängt sich wieder in meinen Kopf, denn bei jedem dieser Treffen war sie an seiner Seite. Ich versuche, die Bilder mit aller Kraft von mir zu schieben, aber es geht einfach nicht. Und ehe ich es verhindern kann, kommen die Worte auch schon über meine Lippen: »Vicky wird sich Ty schon vornehmen und ihm klarmachen, was sie von dieser Freundschaft zu mir hält. Als sonderlich zurückhaltend kann man sie nun wirklich nicht bezeichnen.«
Ayden bleibt stehen, wir sind bei seiner Zimmertür angekommen. Doch zu meiner Verwunderung bricht er das Gespräch nicht sofort ab. Nein, er stellt sich an die Wand und lehnt sich dagegen. Nun kann ich nicht anders und sehe in sein Gesicht. Kurz halte ich den Atem an, denn meine Ahnung bestätigt sich: Seine Augen wirken wie kurz vor einem Sturm. Das Grün lodert, als wäre es elektrisch aufgeladen, etwas Dunkles wogt darin. Ich kenne diesen Ausdruck nur zu gut. Ayden ist verdammt sauer.
Dafür bringt er seine nächsten Worte ziemlich ruhig heraus. »Mir ist durchaus klar, dass ihr beide euch nicht allzu gut versteht. Aber du solltest sie nicht immer wieder ins Spiel bringen. Das habe ich dir schon mal gesagt.«
Gut, langsam steigt auch bei mir die Wut. »Warum zum Teufel nehmen Ty und du sie ständig in Schutz? Sie ist ein großes Mädchen und sie kann sich verdammt gut alleine verteidigen. Ja, stell dir vor, sie ist sogar ziemlich gut darin, auszuteilen. Ich glaube nicht, dass sie euch beide braucht, um die Scherben aufzukehren.«
»Ich habe keine Ahnung, was Vicky vorhin im Kino zu deiner Freundin und dir gesagt hat. Aber ja, ich kann mir denken, dass es vermutlich nichts allzu Nettes war und du darum so wütend bist. Trotzdem will ich, dass du sie aus unseren Unterhaltungen raushältst. Sie hat mit der Sache zwischen uns nichts zu tun.«
Ich reiße die Augen auf und spüre, wie die Wut als kochend heiße Welle durch meinen Körper schwappt. Yoru, der neben mir sitzt und die Veränderung in mir spürt, steht sofort auf, als wolle er sich kampfbereit machen. Aus einer Ecke tritt Snow hervor und zieht die Lefzen leicht hoch, auch er spürt, dass sich hier gerade etwas zusammenbraut.
»Du meinst wohl den Streit zwischen uns. Und ich würde behaupten, dass sie damit sehr wohl etwas zu tun hat. Immerhin wirft sie mir jedes Mal äußerst nette Dinge an den Kopf, sobald wir alleine sind – und darin spielst du verdammt oft eine ziemlich große Rolle.«
»Können wir bitte aufhören, über sie zu sprechen?«, sagt er in recht genervtem Tonfall.
»Gerne, dann sag ihr aber auch, dass sie mich mit dem Mist, der zwischen euch beiden abgeht, in Ruhe lassen soll. Es interessiert mich nicht, was ihr zwei treibt oder was nicht. Von mir aus könnt ihr ein Paar sein oder auch einfach nur euren Spaß miteinander haben, mir ganz egal. Sie soll mir einfach nur aus dem Weg gehen.«
Ich sehe noch, wie ein Funken in Aydens Augen aufblitzt, dann hat er mich blitzschnell gepackt und drückt mich gegen die Wand. Er steht genau vor mir, seine rechte Hand liegt an meiner Schulter. Mein Herz donnert in meiner Brust, ich versuche, einen klaren Gedanken zu fassen, aber ich verstehe gerade nicht, was hier los ist. Ayden kommt mir ganz nah, sein Atem streicht über meine Haut, seine Augen halten mich gefangen. Warum kann ich nicht wegsehen? Weshalb spüre ich die Berührung seiner Finger derart heiß auf mir glühen. Es ist, als würden sie sich durch den Stoff meiner Kleidung brennen und jede Nervenfaser in mir zum Klingen bringen.
»Offenbar nehmen die Gedanken, was Vicky und ich so tun, einen ganz schön großen Platz in deinem Kopf ein.« Der Klang seiner Stimme ist sanft und hat etwas so Verführerisches an sich – er steht in krassem Gegensatz zu der Bedeutung, die in seinen Worten liegt und mir wie ein Messer ins Herz schneidet.
»Ich will einfach nur meine Ruhe«, bringe ich abgehackt hervor. Ich wünschte, meine Worte entsprächen auch der Wahrheit.
Seine Finger strecken sich nach mir aus, berühren meine Wange, und ich schließe kurz die Augen. Sanft wandern sie über meinen Kiefer, streichen meine Halsbeuge entlang und setzen dort alles unter Storm. Ein leichtes Zittern erfasst mich, als sie über meine Lippen gleiten. Er sagt: »Vicky und ich haben ab und an etwas am Laufen, das hast du ja offenbar schon mitbekommen. Wir kennen uns schon eine lange Zeit und wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Sie wird mir immer wichtig sein.« Ich halte die Luft an, öffne die Augen und versuche, den Schmerz hinunterzuschlucken. Warum sagt er mir das? Und weshalb muss er mich dabei auf solche Art berühren? Es tut entsetzlich weh und schürt zugleich meine Wut auf ihn. Für was hält er mich? Mir ist durchaus klar, dass die beiden allem Anschein nach eine recht offene Beziehung führen. Aber das ist nichts für mich und ich will schon gar nicht in irgendetwas hineingezogen werden.
»Du solltest dich von mir fernhalten«, raunt er. Seine Lippen sind mir so nah, ihr Anblick sagte das komplette Gegenteil der Worte aus, die sie formen. Heiß und kalt sind die Schauer, die mir über den Rücken laufen. Seine Augen sind so dunkel, verheißungsvoll und verführerisch. Ich schlucke schwer, kann kaum mehr atmen. In mir tobt ein Gemisch aus Wut und Verletzung, und da ist noch etwas anderes. Etwas, das seine Nähe zu mir auslöst, etwas, das meinen Verstand ausschaltet und etwas in mir hervorholt, das nicht da sein dürfte. Unsere Blicke sind miteinander verflochten, können sich nicht lösen, als wären sie eins. Meine Atmung geht stoßweise, und in diesem Moment streckt sich meine Hand wie von selbst aus. Ganz langsam wandert sie in Aydens Richtung, verharrt kurz vor ihrem Ziel in der Luft und legt sich dann auf seine Wange. Ich kann sehen, wie sich seine Augen weiten, erkenne das Unverständnis darin, spüre, wie er den Atem anhält.
»Ich weiß«, flüstere ich. Meine Lippen sind den seinen so nah. Ich müsste mich nur ein kleines Stück bewegen und könnte sie spüren. Ich frage mich, wie es sich anfühlen würde. Wie schmecken seine Lippen? Seine Zunge? Wie ist es, von ihm gehalten und geliebt zu werden? Mein Blut kocht, ich bekomme kaum mehr Luft. Vicky weiß das alles. Und ich werde mich niemals zwischen sie drängen.
Es fällt mir unendlich schwer, aber ich schaffe es, die Hand von seiner Haut zu lösen. Diese Bewegung, scheint auch ihn wachzurütteln. Er tritt bloß einen winzig kleinen Schritt von mir fort, aber es fühlt sich an, als würde sich ein Krater zwischen uns auftun. Was auch immer das gerade war, dieses elektrisierende Knistern, es ist verschwunden.
Ayden nickt nur und antwortet auf meine letzten Worte: »Gut, das ist sicher das Beste.« Er klingt dabei so abgeklärt und ruhig, als hätten wir gerade eine ganz normale Unterhaltung geführt. Ich begreife das alles nicht, und es sollte mir auch gar nicht wichtig sein. In jedem Fall sollte es mir nicht derart zusetzen.
Ayden sieht mich ein letztes Mal an und sagt: »Ich hoffe, du hast eine gute Nacht.« Damit dreht er sich um, öffnet die Tür und schließt sie hinter sich.
Ich bleibe einen Moment fassungslos und schwer atmend an der Wand stehen. Ayden ist nicht gut für mich, das habe ich bereits zur Genüge festgestellt, und nun hat er es mir auch noch einmal deutlich gesagt. Nur leider haben seine Berührungen eine ganz andere Sprache gesprochen. Noch klingen sie wie ein süßer Gesang auf meiner Haut nach und ich wünschte, ich könnte ihnen ewig lauschen.